Jemand daheim?

Ideen für das halbleere Einfamilienhaus

Leerstandskonferenz

21.-23. September 2022

Alte Spinnerei in Kolbermoor, Bayern

Hier finden Sie die Dokumentation und Vorträge zum Nachschauen:

Wer kennt sie nicht, die großflächigen Wohngebiete mit vorwiegend Einfamilienhäusern in unseren Gemeinden und Städten. Für viele ist diese Bauform nach wie vor der absolute Traum eines geglückten Lebens, für andere der pure Alptraum an Zersiedelung, Bodenversiegelung und sozialer Abgrenzung. Abseits dieser Debatte wird ein Phänomen dieser Wohnform gerne übersehen: Der unsichtbare Leerstand und sein unglaubliches Zukunftspotential!

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"Wir brauchen einen anderen Nutzungszyklus. Gut wäre, wenn die nächste Generation von jungen Familien alte Häuser erwirbt und saniert. [...] Dann kann man beides vereinbaren: Fläche sparen und den Wunsch vom eigenen Haus ermöglichen."
Klara Geywitz
Bundesbauministerin

Ideen für das halbleere Einfamilienhaus

Das Bild des (halb)leerstehenden, meist in die Jahre gekommenen Einfamilienhauses prägt viele Teile des Landes. Ein Einfamilienhaus hat seine Vorteile, wenn es von einer Kernfamilie mit Kindern bewohnt wird. Ziehen diese aus, gelangen die freiwerdenden Flächen aber nicht auf den Wohnungsmarkt. Entwickelt aus den Wohnmodellen der Vergangenheit, wird das Einfamilienhaus den sich verändernden Ansprüchen und der Diversität immer weniger gerecht. Durch ihren hohen Erschließungsaufwand sind Einfamilienhaussiedlungen zudem sehr flächenintensiv und die kleinteiligen Bauvolumen nicht energieeffizient. Auch aus ökologischen Gründen sind sie nur schwer vertretbar.

Da der Wohnraum im ländlichen Raum vorrangig Mehrpersonenhaushalte in Form von Familien anspricht, ist eine Art Monokultur des Wohnens entstanden, was jedoch nicht den hochindividualisierten Lebensstilen der Bevölkerung entspricht. Für immer mehr junge Menschen wird der ländliche Raum nach der Ausbildung oder dem Studium zunehmend attraktiv. Sie suchen nach Orten, Jobs und Arbeitsmodellen vor Ort, ohne sich direkt auf den Erwerb eines Eigenheims festlegen zu wollen. Eine Diversifizierung des Angebotes sowie eine grundlegende kulturelle Transformation des Wohnens und Arbeitens sind notwendig.

Bei der Leerstandkonferenz haben wir uns diesen Herausforderungen angenommen, gemeinsam über Lösungsansätze nachgedacht und anhand von Vorbildprojekten die Potentiale für zukünftiges Wohnen sichtbar gemacht.

Leerstandskonferenz in Luckenwalde vom 10. bis 13. Oktober 2018 für nonconform und Stadt Luckenwalde. Foto: Danneffel

Programm

Die Veranstaltung begann am Mittwoch, 21. September 2022 mit einem Kinoabend. Die Konferenz startete am Donnerstag, 22. September um 09 Uhr und endete am Freitag, 23. September um 13 Uhr.

Die 8. Leerstandskonferenz bat Fachvorträge und Diskussionsrunden mit Expert:innen aus dem In- und Ausland, sowie unzählige Best-Practice-Beispiele zu Umbau, Zwischen- und Wiedernutzung. Bei Fachvorträgen, Diskussionsrunden und gemeinsamen Bustouren zur Besichtigung einiger Best-Practice Projekte in der Region, lernten die Konferenzteilnehmer:innen die Herausforderungen und die Strategien im Umgang mit Leerstand in Einfamilienhäusern kennen.

Gesamtmoderation der Veranstaltung:
Wojciech Czaja, Buchautor und Journalist

Mittwoch, 21. September 2022

Abend | Eröffnung mit Kinofilm mit Leinwandgespräch

17.00 Uhr | Einlass

18.00 Uhr | Begrüßung:
Peter Kloo, Bürgermeister Kolbermoor
Roland Bräger, Direktor Schlossbrauerei Maxlrain, Vorsitzender Wirtschafts-Forum Mangfalltal

18.30 Uhr | Filmvorführung: „Hinterholz 8″
Ein Kult-Kabarett-Film rund um den Umbau (und dem Einsturz) eines Einfamilienhauses am Land. Hinterholz 8 war der meistbesuchte Kinofilm des Jahres 1998 in Österreich und ist die Verfilmung einer Geschichte von Roland Düringer, der auch selbst die Hauptrolle spielt. Ein Film mit allen Facetten rund um den Hauskauf, den Selbstbau, den Ehekrach, die Finanzierung, die Baufirma, den Baumeister, die mithelfenden Freunde und auf die man sich nicht verlassen kann.

20.00 Uhr | Leinwandgespräch
Eine Reflexion zum Film mit Moderator Wojciech Czaja und Gästen

Ab 21.00 Uhr | Gemütlicher Ausklang in der Spinnerei Kolbermoor

Donnerstag, 22. September 2022

Vormittag | Hauptvorträge im Kesselhaus 

9.00 Uhr | Begrüßungsrunde
Roland Bräger, Direktor Schlossbrauerei Maxlrain, Vorsitzender Wirtschafts-Forum Mangfalltal
Michael Pelzer, Alt-Bürgermeister, Vorsitzender LAG Miesbacher Land
Anton Wallner, Bürgermeister, Vorsitzender LAG Mangfalltal-Inntal
Dr. Max von Bredow, Vorstandsvorsitzender QUEST Baukultur, Eigentümer Spinnerei
Roland Gruber, Geschäftsführer nonconform

9.30 Uhr |  „Das Haus, das Wohnen & die Vielfalt an Wohnformen“
Prof. Sophie Wolfrum, Stadt- und Regionalplanerin, TU München
Nachgespräch mit einem Bürgermeister der Region

10.00 Uhr | „Eigentum, Familie und Nachbarschaften“
Prof. Marcus Menzl, Sozialwissenschaftler & Stadtplaner, Technische Hochschule Lübeck
Nachgespräch mit einem Bürgermeister der Region

 

10.30 Uhr Kaffeepause

 

11.00 Uhr | „Die Potentiale der Bauleitplanung im Umgang mit dem freistehenden Einfamilienhaus“
Dr. Jürgen Busse, Rechtsanwalt, ehem. Generalsekretär bayrischer Gemeindetag, Starnberg
Nachgespräch mit einem Bürgermeister der Region

11.30 Uhr | „Die Idee eines Flächenzertifitkathandels“
Dr. Ralph Henger, Ökonom, Institut der deutschen Wirtschaft, Köln
Nachgespräch mit einem Bürgermeister der Region

12.00 Uhr | Lernen vom Wohnen in Nordeuropa und anderswo
Prof. Walter Unterrainer – Professor für Architektur und Umraumgestaltung, Universität Göteborg, Schweden
Nachgespräch mit einem Bürgermeister der Region

12.30 Uhr | Präsentation der 4 Exkursionsrouten mit Bus-Workshops
Fahrscheinvergabe in Form einer partizipativen Abstimmung

 

12.45 – 14.00 Uhr | Mittagspause

Nachmittag | Exkursionen zu Best Practice Projekten der Region

Busrouten zu Vorzeigeprojekten mit Vorträgen & Workshop im Ideenbus

Tour 1
Forschungshäuser Bad Aibling, Florian Nagler Architekten
Mehrgenerationenhäuser auf dem Klosteranger, Leupold Brown Goldbach Architekten

Tour 2
Wohn- und Arbeitswelt Gmund
Mayer-Nowak/architektur Gmund

Tour 3
Baugemeinschaft Pallaufhof Münsing, Arc Architekten

Tour 4
Landlmühle Stephanskirchen, finsterwalderarchitekten
Alte Spinnerei Kolbermoor

Busvorträge:

„Städtebauliche und baukulturelle Impulsprojekte in Kolbermoor“
Vortragende aus der Bauverwaltung und Politik in Kolbermoor

„Zur Geschichte der beliebtesten Wohnform – Das Einfamilienhaus: Ergebnisse eines Forschungsprojekts“
Barbara Steinbrunner, Isabel Stumfol, Lena Schartmüller, Thomas Hennerbichler, Center Ländlicher Raum / Technische Universität Wien

Auf der Rückfahrt wird der Ideenbus zum Workshopraum um die Eindrücke und Erkenntnisse zu sammeln und zu diskutieren
Moderation: Das Team von nonconform

 

Abend | Dinner Speech mit Abendessen-Spiel im Kesselhaus

18.30 Uhr | „Aus dem Bus“
Kurzberichte der Erkenntnisse aus allen Ideenbussen

19.00 Uhr | Dinner Speech | „Der unsichtbare Wohnraum“
Daniel Fuhrhop, Journalist, Buchautor & Forscher, Potsdam

im Anschluss: „Leerstand in 4 Gängen füllen“ – ein interdisziplinäres und interaktives Abendessen-Spiel zur gemeinsamen Lösungsentwicklung von halbleeren Einfamilienhäusern

Musikalische Umrahmung: Musikschule Kolbermoor

Freitag, 23. September 2022

Vormittag | Ein Feuerwerk an neuen Ideen

9.00 Uhr | Sternschnuppen vom Vortag gemeinsam sammeln

9.30 Uhr | „Verteilung auf das Vorhandene in der Zwischenstadt“
Dr. Jörg Heiler – heilergeiger Architekten & Stadtplaner, BDA

10.00 Uhr | „Nutzen was ist“
Prof. Tina Kammer – Nachhaltiges Bauen, IU Internationale Hochschule / InteriorPark

Fragen aus dem Publikum an Tina Kammer und Jörg Heiler


10.30 – 11.00 Uhr
Kaffeepause

11.00 Uhr | Start des Ideenfeuerwerks
Alle Referent:innen haben genau 20 Folien zu je 20 Sekunden, also insgesamt 6.40 Minuten Zeit. Es wird ein Projekt, eine Vision oder eine Utopie präsentiert. Ohne Diskussion, ohne Rückfragen – es soll ein Feuerwerk an Inspiration zum Nachmachen sein!

  • Alter Hof sucht neue Liebe
    Ramona Riederer, Allgäu GmbH, Projektmanagement Standortentwicklung
  • Re-Habitat: Vom Einfamilienhaus zum Mehrfamilienhaus
    Julia Lindenthal, Ökologieinstitut & Pulswerk, Wien
  • Back to the Gutshof
    Jan Foerster, TEAMWERK Architekten, München
  • Zukunftsquartier Drolshagen
    Uli Berghof, Bürgermeister Drolshagen, NRW
  • Systematisierte Leerstandserhebung – Beispiel Pfarrkirchen
    Sebastian Osenstetter, RIWA-GIS & Tobias Hanig, Stadtrat
  • Baugruppe Pressbaum
    Johanna Leutgöb, Bewohnerin, Niederösterreich
  • Sauriassl Syndikat – Netzwerk aus gemeinschaftlichen & ökologischen Wohnprojekten in der Region Altötting
    Marcel Seehuber
  • Landesförderprogramm Gemeinschaftliches Wohnen
    Reinhard Schinner, Landesregierung Kärnten, Wohnbauförderung
  • Jung kauft Alt
    Alexander Graf, Leiter Amt für Gemeindeentwicklung, Hiddenhausen
  • Neue Holzschleiferei Hebertshausen
    Richard Reischl, Bürgermeister, Hebertshausen, Bayern
  • Huber – der Hof für alle
    Ronja Protzmann, Absolventin der HAWK-Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim
  • Aus zwei mach eins
    Helmut Eckmeier, breu + eckmeier architekten/stadtplaner
  • Umbau eines Hallenschwimmbads zum Wohnraum
    Stephanie Ach, Innenarchitektin
  • Shift of Uses – Lichtenfels
    Victoria Holzinger, Paul Eis, Kunstuniversität Linz – die architektur – Studio Zoomtown
  • Das 3-Familienhaus
    Stephan Rauch, studioRauch Architektur

 

13.00 Uhr | Resümee
Der Moderator zieht mit den Teilnehmenden und den Vertreter:innen des Veranstalters ein abschließendes Resümee

13.15 Uhr | Konferenzende mit gemeinsamem Suppenessen
Die Ideengeber:innen des Feuerwerks stehen für Fragen zur Verfügung

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"Das Eigenheim im Grünen galt über Jahre hinweg als selbstverständliche Antwort auf die Wohnbedürfnisse junger Mittelschichtsfamilien. Das ist heute nicht mehr so. In einer Gesellschaft, die sich durch individuelle Lebensentwürfe auszeichnet, ist es naheliegend dass sich auch das Spektrum an Wohn- und Lebensmodellen stärker differenziert."
Prof. Marcus Menzl
Technische Hochschule Lübeck

Event-Location

Austragungsort der Leerstandskonferenz war das Kesselhaus in der Alten Spinnerei in Kolbermoor, einer oberbayrischen Kleinstadt mir rund 20.000 Einwohnern. Kolbermoor und die Spinnerei wurden ausgewählt, weil sich die Stadt seit vielen Jahren um Baukultur bemüht, sehr aktiv im Umgang mit Leerstand ist und sich um alternative Besiedelungsformen außerhalb des Einfamilienhauses kümmert.

Die Spinnerei selbst ist ein absolutes Vorzeigeprojekt im Umgang mit Leerstand. Einst ein blühendes Industrieareal, dann jahrelang eine Brache, ist sie jetzt wieder ein blühender Ort für Wohnen, Arbeiten und Freizeit. Die Unternehmensgruppe Quest hat nicht nur die Spinnerei wachgeküsst, sondern entwickelt und realisiert auch in anderen Gemeinden neue Formen von innovativen verdichteten Wohnprojekten, vorwiegend in Ortskernen und Dorfmitten. Eines dieser Projekte wurde im Rahmen dieser Leerstandskonferenz bei den Bustouren in Weyarn besichtigt.

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Unabhängig von den Erfahrungen der Pandemie ist die Gesellschaft schon längst nicht mehr so strukturiert, wie es uns die Werbebotschaften der Bausparkassen oder auch der Automobilbauer glauben lassen wollen. Für Deutschland insgesamt – unabhängig ob Stadt oder Land – gilt: Knapp die Hälfte der Ehen werden geschieden (bzw. leben getrennt). Knapp ein Drittel der Kinder werden von Alleinerziehenden betreut. Knapp 50 Prozent der Haushalte sind Single-Haushalte. Der Anteil an Haushalten mit „verheiratetem 'Mann – Frau- Paare'“ und minderjährigen Kindern beträgt nur 12 Prozent an allen Haushaltstypen in Deutschland. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung ist älter als 60 Jahre. Rund 40 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse können orts- und zeitflexibel organisiert werden. In den nächsten Jahren wird sich der Anteil der Menschen, die mindestens an drei Tagen nicht in einem Büro arbeiten auf rund 30 Prozent einpendeln.
Prof. Andreas Knie
Wissenschaftszentrum Berlin

Organisation

Das Architekturbüro nonconform wurde mit der Kuratierung und Organisation der Konferenz beauftragt. nonconform baut auf vielschichtiger inhaltlicher Erfahrung im Umgang mit untergenutzten Gebäude und der Umsetzung von sieben Leerstandskonferenzen in den letzten 10 Jahren auf. Ganz nach dem Motto „miteinander weiter denken“ sieht nonconform die Aufgabe vor allem darin, die nachhaltige Entwicklung und Revitalisierung von Gebäuden, öffentlichen Räumen und Infrastrukturen voranzutreiben.

Das Konzept der diesjährigen Leerstandskonferenz wurde vom nonconform Team gemeinsam mit den Vertreter:innen des Veranstalters und der Förderstellen entwickelt. Veranstalter ist das Wirtschafts-Forum Mangfalltal, finanziell gefördert von den beiden LEADER Regionen (LAGs) Kreisentwicklung Miesbacher Land und Mangfalltal-Inntal. nonconform ist Organisator und direkter Ansprechpartner für Interessierte.

Im Auftrag von:

Förderung:

Das Projekt wird gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des Ländlichen Raums (LEADER).

Mitfinanzierende Gemeinden:

Sponsor:innen für Kulinarik:

In Kooperation mit: